Drive-by-Archaeology

Beim Stöbern im Internet bin ich vor einiger Zeit recht unerwartet auf das Foto einer merkwürdigen Skulptur gestoßen. Sie sah aus wie ein mehrere Meter hohes, in den Boden gerammtes Schwert. Es steht zentral in der münsterländischen Bucht und wirft vielleicht die Frage auf, was die Stadt Beckum mit König Artus zu tun hat? Erstmal eigentlich nichts. Aber ein oder zwei Kleinigkeiten dann doch.

Schwertförmige Skulptur auf einem Kreisverkehr. König Artus in Westfalen?

Wer sich schonmal mit dem frühen Mittelalter in Westfalen beschäftigt hat ist mit ziemlicher Sicherheit schon über das Fürstengrab von Beckum gestolpert (wie es immer noch gern genannt wird). Ende der 50er Jahren war es eines der Highlights der Landesarchäologie. In einem Neubaugebiet am Rande der Stadt war ein sächsisches Gräberfeld entdeckt worden.1

In der Mitte fand sich bei der nachfolgenden Ausgrabung ein besonders reich mit Beigaben ausgestattetes Grab. Das zeigte, dass es sich um eine nicht-christliche Bestattung handeln musste.2

Dem Toten waren neben Schmuck und Gefäßen auch seine Waffen mitgegeben worden. Darunter befand sich eine außergewöhnlich prunkvoll gearbeitete Spatha, ein zweischneidiges Hiebschwert, wie es in der Völkerwanderungszeit und dem frühen Mittelalter unter fränkischen und sächsischen Fürsten verbreitet war.

Nun, verbreitet waren diese Schwerter nicht. Im Gegenteil, sie sind eher ziemlich selten und waren neben ihrer Funktion als Waffe wohl auch ein sehr wichtiges Statussymbol. Dazu besaß das Exemplar aus Beckum noch eine weitere Besonderheit: es war ein Ringknauf-Schwert (oder ein Knaufring-Schwert, wie es heute wohl heißt 3). An der einen Seite der Knaufplatte waren zwei ineinander verschränkte Ringe angebracht. So selten solche hochwertigen Schwerter soundso schon sind, unter ihnen sind die Ringknauf-Spathen noch einmal seltener. Über die Bedeutung dieser Ringe wird bis heute heftig diskutiert. Sie sollen ein Zeichen von Gefolgschaft gewesen sein, zumindest aber eine besondere Auszeichnung.

Vor einigen Jahren schon hat nun die Stadt Beckum als Denkmal für die sächsische Geschichte der Stadt besagte Schwert-Skulptur in einem Kreisverkehr nahe des Fundorts aufgestellt. Und auf diese tatsächlich fast unübersehbare Skulptur war ich zufällig gestoßen. Natürlich bin ich hingefahren. Und natürlich habe ich einige Fotos gemacht.

Besonders fasziniert hat mich an diesem Kunstwerk, dass es bei weitem nicht einfach ein mehrere Meter hohes, schwertförmiges Objekt ist. Es ist eine fast museumstaugliche Rekonstruktion. Das einzige, was ihr den Platz in einer Vitrine streitig macht, ist ihre Größe. Ansonsten hat der ortsansässige Künstler Paul Tönnißen bei seiner Arbeit selbst kleinste Details dargestellt. Etwa die mit Flechtbandornamenten verzierte Abschlussplatte oben auf dem Knauf und selbst das kleine, asymmetrische Zierblech seitlich am Griff.

Die Straßen in dem Wohngebiet, wo damals die Gräber entdeckt wurden, heißen sinnigerweise “Sachsenstraße”, “Cherusker-” und “Markomannenstraße”. Sie erinnern heute an eine großartige Geschichte und einen faszinierenden archäologischen Fund.

Einige Anklänge an die Artus-Sage gibt es also doch: es gab hier im 6. Jahrhundert einen Fürsten mit einem großartigen Schwert, er gehörte einer Art von Gefolgschaft an, die Sachsen spielten eine Rolle und heute gibt es auch ein Schwert, das in einem Stein steckt. Wobei es wahrscheinlich ein Betonfundament ist. In Beckum wäre das naheliegend.

Wer sich intensiver mit dem Völkchen der Sachsen in Westfalen beschäftigen möchte, wird in dem ziemlich aktuellen und lesens- (und sehens-)werten Katalog zur “Saxones”-Ausstellung von 2019 fündig. Das Grab des “Herren von Beckum” ist auch drin.4

Katalog der Saxones-Ausstellung

 

1 Der Albtraum jedes Bauherrn.

2 Der Traum eines jeden Archäologen.

3 Heute sind Ringknaufschwerter offenbar solche mit einem ringförmigen Knauf, während Knaufringschwerter solche mit einem Ring am Knauf sind. So wie das aus Beckum.*

4 Ich habe gerade herausgefunden, dass der Katalog nicht mehr ganz leicht zu bekommen ist. Mit etwas Suchen gibt’s ihn online noch.

* Das mit den Fußnoten bekomme ich noch hin.**

** Das ist jetzt eine Fußnote in einer Fußnote in einer Fußnote. Wie gut, dass dieses Blog privat ist.

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Eine Antwort

  1. Julia sagt:

    Was willst Du bei den Fußnoten noch lernen? Die sind perfekt.
    Ebenso perfekt wie der zarte Kontrast der selbst in der Reproduktion enthaltenen fachlichen Güte und Einzigartigkeit des Schwertes zu den dahinter drapierten wohl fantasielosesten Massenbauten, die die 50/60er Jahre hervorzubringen wussten.
    Herzliche Grüße aus dem Zimmer 7….

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